TRENNUNG OHNE SCHULDGEFüHLE: KLARTEXT REDEN IST WICHTIG

Eine Trennung kann eine der herausforderndsten und emotionalsten Erfahrungen im Leben sein. Aber auch für den, der sich trennt, ist dieser Schritt oft eine große Belastung und oft mit Schuldgefühlen verbunden.

So erging es auch Ines. Nach langem Hin und Her, vielen Gesprächen mit Freunden und Familie stand ihr Entschluss endgültig fest. „Ich kann nicht mehr, ich will mich endlich trennen“, sagt sie mit fester Stimme beim Besuch in meiner Praxis Herzkümmerei. Sie schätze ihren Noch-Partner Michael sehr, aber die Liebe habe sich langsam, aber sicher verabschiedet. „Wird schon wieder werden“, haben beide lange Zeit gedacht. „Das ist nur eine Phase“, haben beide gehofft.

Aber auch eine Paartherapie hat sie nicht wieder zueinandergebracht, zu sehr haben sie sich in den letzten Jahren auseinanderentwickelt. Ines bringt es auf den Punkt: „Unsere Wünsche und Ziele lassen sich einfach nicht mehr miteinander verbinden!“ Aber vor dem finalen Schritt hat Ines große Angst. Sie leidet unter starken Schuldgefühlen und sucht nach Wegen, die Trennung möglichst fair zu gestalten.

Trennung – aber wohin mit den Schuldgefühlen?

Viele Menschen, die sich trennen wollen, leiden bereits im Vorfeld unter dem Gefühl einer starken Trennungsschuld. So wie Ines, sie ist sehr enttäuscht und schämt sich fast dafür, dass die Beziehung zu Michael nicht funktioniert hat. Immer wieder ist sie ihre Beziehungsgeschichte im Kopf durchgegangen. Welche Rolle spiele ich in dem Ganzen, wie viel Schuld habe ich am Scheitern unserer Liebe? Scham, aber vor allem Schuld – diese Gefühle lähmen Ines stark, obwohl sie eigentlich weiß, dass eine Trennung die richtige Entscheidung ist.

Es wäre einfacher für Ines, wenn es einen eindeutigen Grund für ihre Trennungsabsicht gäbe. Eine Affäre, lautstarke Streitigkeiten, gegenseitige Verletzungen – klar benennbare Gründe würden den inneren Konflikt vielleicht nicht auflösen, aber doch vereinfachen. So macht das ständig bohrende Schuldgefühl Ines permanent ein schlechtes Gewissen.

Schuldgefühle haben einen Sinn

Grundsätzlich ist das Wahrnehmen von Schuldgefühlen etwas Positives. Berechtigte Schuldgefühle können uns auf ein Fehlverhalten oder ein unangemessenes Benehmen hinweisen, das wir ändern können. Die emotionalen Quälgeister können also durchaus sinnvolle „Wachmacher“ sein. Sich zu entschuldigen, jemandem zu sagen „Es tut mir leid“ kann viel verändern. Drei kleine Worte können manchmal verschlossene Türen öffnen und Brücken bauen.

Aber was ist mit den unberechtigten Schuldgefühlen? Erkennen Sie sie als genau das an, was sie sind – ein Gefühl, eine sehr starke Emotion, nicht mehr und nicht weniger. Hier geht es um etwas sehr Basales, um das Entschulden. Das ist manchmal sehr wichtig, denn Schuld kann zu etwa sehr Belastendem und Destruktivem werden.

Doch was bedeutet Ent-Schulden? Es ist die Entscheidung, eine vermeintliche Schuld nicht anzunehmen. Damit verhindere ich, dass sie ein dunkler Teil von mir wird. Ich gebe sie bewusst weg, weil sie nicht wirklich zu mir gehört. Ines sollte sich in schwachen Momenten genau daran erinnern, indem sie sich immer wieder klarmacht: „Ich fühle mich zwar schuldig, ich bin aber trotzdem ein wertvoller Mensch.“

Auch der, der verlässt, leidet – manchmal sogar mehr

Instinktiv richtet man seine Aufmerksamkeit eher auf den Verlassenen. Ihm gehört unsere Anteilnahme, unser Mitgefühl. Und das durchaus zu Recht: Verlassen zu werden ist oft eine traumatische Erfahrung. Aber es gibt auch eine andere Perspektive: Oft wird der, der verlässt, stigmatisiert. Er ist der Böse, der Verlassene der Gute.

Mehr zum Thema

  • Beziehung: Trennung nach Geburt? Plötzlich holte uns die Realität ein
  • Trennung: Eltern müssen an ihre Kinder denken, statt an sich
  • Ratgeber: Sich trennen und loslassen – wenn das so einfach wäre

Aber so einfach ist es eben nicht. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass nur der leidet, der verlassen wird. Manchmal lohnt sich ein Blick auf die Beziehungsgeschichte. Denn häufig geht dem finalen Entschluss, eine Trennung zu finalisieren, eine intensive Trauerphase voran, so auch bei Ines.

Sie hat lange gezweifelt und gelitten, ihre emotionalen Bedürfnisse sind über einen langen Zeitraum nicht mehr befriedigt worden. Ines hat die Verbindung zu Michael immer wieder gesucht, aber nicht mehr gefunden. Am Ende hatte sie das Gefühl, in der Beziehung zu ersticken.

Trennung braucht Mut und Entschlossenheit

Jemanden zu verlassen, den man einmal sehr geliebt hat, ist eine große und schmerzhafte Entscheidung. Dieser Schritt fordert Mut und Konsequenz, vor allem wenn man sich nach wie vor als Mensch schätzt und mag. Doch wenn die Entscheidung – wie bei Ines – so gut überlegt und ausgereift ist, dann ist es auch gut, dazu zu stehen.

Auch Michael hat vermutlich – spätestens seit der Paartherapie – realisiert, dass die Beziehung nicht mehr in Ordnung ist. Vielleicht hat er ja selber auch schon mit dem Gedanken an eine Trennung gespielt, wollte aber die Entscheidung für das Beziehungs-Aus nicht treffen. Machen Sie sich klar: Auch wenn der Schritt schmerzhaft ist, so bietet er doch auch viele Chancen. Aber, sich fair zu trennen ist gar nicht so einfach. Ein paar Regeln sollten Sie unbedingt beachten.

Bleiben Sie respektvoll!

Eine Trennung tut immer weh. Sie können Ihrem Partner den Schmerz nicht ersparen, aber Sie können dazu beitragen, dass die Wunden nicht tiefer als nötig werden. Wahren Sie den Respekt vor Ihrem Partner, was immer auch der Grund für das Beziehungsende ist. Bewahren Sie – auch in Ihrem eigenen Interesse – die Erinnerung an die guten Zeiten und die tiefen Gefühle, die Sie einmal füreinander hatten. Vielleicht haben Sie gemeinsame Kinder – dann ist es umso wichtiger, wie sie auseinandergehen. Wenn eine Familie zerbricht, gibt es weiterhin noch viel zu besprechen. Auch wenn Sie als Paar nicht mehr existieren, als Eltern haben Sie auch künftig viele gemeinsame Aufgaben zu lösen.

Bleiben Sie klar!

Wenn Schluss ist, ist Schluss! Schlussmachen ist keine Generalprobe, sondern der einzige und finale Auftritt. Bleiben Sie klar, auch wenn Sie sehen, wie sehr Ihr Partner leidet. Hinhalten und Doppelbotschaften machen es für Ihr Gegenüber noch viel schlimmer. Menschen, die verlassen werden, klammern sich an jedes noch so kleine Hoffnungszeichen. Das verlängert den Schmerz unnötig. Deshalb sollten Sie sich auf das Trennungsgespräch sehr gut vorbereiten. Überlegen Sie sich vorher, was Sie sagen wollen. Was hat Ihnen gefehlt, warum fühlt sich die Beziehung nicht mehr richtig an? Gestritten und gekämpft haben Sie im Vorfeld der Trennung wahrscheinlich schon genug. Es bringt nichts, diese Themen jetzt noch einmal zu diskutieren. Bleiben Sie stattdessen wertschätzend, und sagen Sie, dass es Ihnen leidtut, dass der andere trotzdem ein liebenswerter Mensch ist, auch wenn sich Ihre Gefühle verändert haben. Ihr Partner wird vermutlich in einen Schockzustand geraten, darauf müssen Sie vorbereitet sein. Und Sie sind jetzt nicht derjenige, der trösten kann und darf. Schlussmachen und Trösten – das passt nicht zusammen. Für diese Aufgaben sind ab sofort andere zuständig. Ihre Zuständigkeit ist an dieser Stelle beendet.

Schlussmachen per WhatApp oder E-Mail …

… ist völlig indiskutabel. In Zeiten von Tinder & Co. greift diese Unsitte sehr stark um sich. Auch wenn die Beziehung nur kurz war oder über größere Distanzen geführt wurde – ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht hat jeder verdient. Aus der Erfahrung kann ich sagen, dass eine digitale Trennung der blanke Horror für die Verlassenen ist. Das Selbstwertgefühl, das bei einer Trennung immer leidet, wird auf diese Weise noch viel tiefer geschädigt. „Bin ich ihm/ihr so wenig wert gewesen, dass er/sie mir das nicht persönlich sagen konnte?“ Tun Sie das Ihrem Partner nicht an. Diese Fragen können sehr quälend sein und den Liebeskummer enorm verstärken und in die Länge ziehen. Egal wie schwer Ihnen das Gespräch fällt – es gehört zu einer fairen Trennung einfach dazu und ist Ausdruck von Respekt.

Wir können ja Freunde bleiben.

Nein, können Sie nicht! Im Zweifel nährt so ein Satz nur die Hoffnung, dass es ein Zurück gibt. Vielleicht geht es mit einem großen zeitlichen Abstand irgendwann einmal wieder, aber ganz sicher nicht sofort. Klarheit hilft bei der Akzeptanz und schont Sie und Ihr Gegenüber vor dem Stress eines ewigen Hin und Her. Auch Sie müssen jetzt ohne diesen Menschen, von dem Sie sich getrennt haben, auskommen. Bleiben Sie klar: Ihr Gegenüber braucht jetzt Zeit und Raum, um den Kummer zu verarbeiten. Distanz ist für den Heilungsprozess entscheidend; jeder Kontakt, den Ihr Ex-Partner zu Ihnen hat, wirft ihn zurück. Erfahrungsgemäß ist absolute Abstinenz (zumindest in der Zeit nach der Trennung) das Beste für die Verlassenen. Nehmen Sie nur Kontakt auf, wenn es wirklich etwas zu besprechen gibt. Und dann bleiben Sie möglichst kurz und sachlich. Auch wenn das hart klingt, aber für die Verlassenen ist das sehr hilfreich.

Die Autorin: Heike Klopsch betreibt seit mehreren Jahren die Coachingpraxis Herzkümmerei in Hamburg. Ihre Schwerpunktthemen sind Liebeskummer und Trennung. Info: www.herzkuemmerei.de

2024-04-20T04:39:29Z dg43tfdfdgfd